Station 8
Kirche
kunstvoll erweitert und Wahrzeichen der Stadt
Informationspunkt:
- Kirchplatz und katholische Pfarrkirche St. Alexander
Romanische Kirche von 1250 und Kirchenerweiterung 1905
Kurz nach der Stadtgründung wurde um 1250 eine kleine romanische Hallenkirche errichtet; erstmals urkundlich erwähnt wurde sie 1261. Die Geschichte der Pfarrei ist eng verbunden mit dem Kloster Grafschaft, das fast 600 Jahre lang Mönche zur Seelsorge nach Schmallenberg entsandte.
Die Kirche überstand den Stadtbrand von 1822, reichte aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts für die größer gewordene Gemeinde nicht mehr aus. So wurde sie 1905 erweitert: Aufgrund ihrer kunstgeschichtlich bedeutungsvollen Pfeiler und Gewölbestruktur – aus dem 13. Jahrhunderts datieren zwei Joche und die Apsis - wurde die alte Kirche erhalten und in die in neuromanischem Stil neu errichtete Kirche integriert. Für den Um- und Neubau verantwortlich zeichnete der Architekt und spätere Dombaumeister von Aachen, Prof. Buchkremer. Der Chor der alten, nach Osten orientierten Kirche wurde als Seitenschiff in den nach Süden ausgerichteten Kirchenneubau aufgenommen. Die Bestandteile der alten Kirche wurden dabei von außen weiß verputzt und heben sich so vom neuen Bauwerk ab. Bemerkenswert ist der dem Stadtpatron St. Valentin geweihte Altar im Nazarenerstil. Auf der linken Seite der alten Kirche befindet sich das vor 1500 entstandene spätgotische Sakramentshäuschen.
Im Zuge des Umbaus wurde der aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammende alte Kirchturm abgerissen und außerhalb der Kirche im Nordosten der Kirchenanlage ein neuer, mächtiger Turm erbaut. Im Zusammenspiel mit der Pfarrkirche St. Alexander setzt er zur langgezogenen Struktur der Stadtanlage einen markanten Gegenpunkt. 1906 wurde der Erweiterungsbau fertiggestellt und stieß bei den Einwohnern einhellig auf Lob. Der Turm von St Alexander beherrsche den Gesamtbau der Kirche, so die damaligen Pressestimmen, und ist das „Wahrzeichen unserer Stadt, ein architektonisches Meisterwerk“, das „den Rhythmus der Gebirge“ auffängt. Er „übernimmt eine stadt- und landschaftsprägende Rolle“.
Religion und Glaube im Alltagsleben
Bis in die 1950er Jahre fand am Karsamstag auf dem Kirchplatz die Wasserweihe statt. Auf dem Platz standen große Zinkwannen und Holzbottiche, in denen sich das geweihte Wasser befand: Mit Milchkannen, Eimern, Krügen und Flaschen wurde das Wasser, meist durch Kinder und oft unter großem Gedränge aus den Behältern geschöpft und nach Hause geholt. Es wurde so viel Wasser geholt, dass man das ganze Jahr damit auskam: An Ostern wurde das Haus damit gesegnet, das Vieh bekam etwas Wasser in die Tränke. Der Verbrauch war gewaltig, denn auch auf den Äckern und Feldern wurde es verteilt.
Ebenfalls fest in den Alltag integriert waren bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein die kirchlichen Prozesse.
Das Kirchturmproblem
Der 1906 neu errichtete Kirchturm wurde aus Winkhauser Grauwacke (grauer Sandstein) gebaut, die Außenschalen wurden mit hammergerechten Steinen gemauert, im Innern Reststücke, unebene Steine, Schiefer und Ziegel verwendet. Die Zwischenräume verfüllte man mit Schutt und kleinen Steinen. Als Mörtel benutzte man Schlackensand, ein billiges Abfallprodukt aus den Eisenhütten des Siegerlandes, das ähnliche Eigenschaften wie Zement aufwies. Schon bald nach Fertigstellung des Kirchturms traten Feuchtigkeitsprobleme auf. Bereits 1958 wurde er umfassend renoviert; das Grundproblem vermochte man aber nicht zu beheben. In den 1980er Jahren wurde die Frage „Wie bekommt man den Turm wasserdicht?“ immer dringender. Sollte er verputzt oder konserviert werden, abgebrochen und neu gebaut werden?
1996 wurde der Kirchturm schließlich abgerissen. Geplant wurde ein Wiederaufbau nach dem ursprünglichen Plan von Buchkremer, aber mit besseren Bausubstanzen und moderner Bautechnik. In der Planungsphase nach dem Abbruch rückten Kostenfragen und Fragen des Materials in den Vordergrund. Zunehmend wurde auch die Gestaltung in der Bevölkerung kontrovers diskutiert und es entbrannte eine veritable Auseinandersetzung über die Finanzierung und die Art der Neugestaltung des Kirchturms. Die eine Seite war für eine originale Rekonstruktion, die andere für eine moderne Variante. Verwirklicht wurde schliesslich ein Kompromiss: Errichtet wurde zwischen 2001 und 2004 ein schlichter Betonturm, ummantelt mit einer Steinverkleidung – Stabilität verband sich so mit einer annähernd originalgetreuen Rekonstruktion. 2013/14 wurde die gesamte Kirche vollständig renoviert. Durch eine Tür in der Nordwand der alten Kirche und einen Verbindungsgang betritt der Besucher den Innenraum des Turmes. Er enthält heute einen Meditationsraum und ist im Innern bis zur Decke geöffnet: „Die Höhe schließt den Himmel auf“, so der Text des Kirchenführers.
Kirche St. Alexander vor 1900 (vor dem Umbau).
Stadtansicht mit Kirche von Osten 1899.
Schmallenberger Altstadt mit Pfarrkirche, Ansicht von Osten, nach 1950.
Katholische Pfarrkirche St. Alexander um 1970.
Weststraße - Umzug beim Kirchplatz.
Fronleichnam in der Weststraße, Ecke Elisabethstraße um 1955.
Bis in die 1950er Jahre fand am Karsamstag die Wasserweihe statt.
Entfernung der Dachkuppeln vor dem Abriss des alten Kirchturms 1995.
Der Kirchplatz zur Weihnachtszeit.