Station 1
Geschichtssäule am Paul Falke Platz
Wichtige Ereignisse der Stadtgeschichte
Informationspunkt:
Geschichtssäule
Das Halbrelief gibt wichtige Ereignisse der Stadtgeschichte wieder. Von der Verleihung der Stadtrechte durch den kölner Erzbischof Konrad von Hochstadten (unten links) über den Bau der Stadt auf dem „Smalen Berg“, die kath. Kirche St. Alexander (1260/1261), die Vergabe des Münzprägerechtes und die Verarbeitung von Eisenerz in Eisenhämmern erzählt bildnerisch die untere Reihe. Die Reihe darüber (von rechts nach links) beginnt mit dem verheerenden Stadtbrand von 1822, weist auf die wachsende Strick- und Strumpfindustrie hin und feiert den 1887/88 erreichten Anschluss Schmallenbergs an die Eisenbahnlinie. Den Fortschrittsglauben des 19. Jahunderts symbolisiert der „Floigenkaspar“, ein Schmallenberger Original namens Kaspar Hamm-Jostgans, der mit geflochtenen Körben an seinen Oberarmen und Federn an seiner Kleidung, Flugexperimente vornahm. Der Kirchenneubau von 1905 findet Erwähnung, wie auch die aufopfernde Arbeit der Trümmerfrauen nach dem zweiten Weltkrieg (obere Reihe links). Rechts daneben die ev. Christuskirche von 1952. Für das Vereinsleben steht das Schützenzelt und der auf einen Vogel zielende Schütze. Ganz unten rechts sehen Sie eine Ziege, die „Kuh des kleinen Mannes“.
Die Rückseite der Geschichtssäule zeigt einen Stadtplan von Schmallenberg. Zwei parallel verlaufende Straßen auf dem „Smalen Berg“ (Ost- und Weststraße), sowie die Querstraßen. (Auch gut sichtbar auf dem ausklappbaren Teil des Flyers).
Das Bild auf dem Relief zeigt den Ehrenbürger unserer Stadt, Paul Falke, der 32 Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister war.
Gegenwart und Zukunft Schmallenbergs sieht der Bildhauer Werner Klenk in der Natur, in der Forstwirtschaft sowie dem auf Naturerlebnis ausgerichteten Tourismus.
Die Glasstehlen vom heimischen Glasermeister Martin Vollmert symbolisieren mit den eingeätzten Quadern die alte Stadtmauer.
Der Schmallenberger Dichterstreit von 1956
'Blut- & Boden-Dichtung' geht nicht mehr
Informationspunkt:
- Stadthalle
Die Stadthalle als Veranstaltungslokalität
1952 begannen die Planungen für den Bau einer Stadthalle. Die Ausschreibung gewann der Dortmunder Architekt und Erbauer der Westfalenhalle Horst Retzki. Er übernahm die Planung; die Stadthalle wurde 1953/54 an der Sunthelle (heute Paul Falke Platz) erbaut. Im Herbst 1954 fand in der Stadthalle das erste Bundesschützenfest des Sauerländer Schützenbundes mit rund 7.000 Schützen statt. Die Stadthalle diente aber auch kulturellen Zwecken: 1956 war sie Austragungsort des Zweiten Westfälischen Dichtertreffens nach 1945. Im Verlauf des Dichtertreffens kam es zur Überraschung der Veranstalter zu einer veritablen Auseinandersetzung, die als Schmallenberger Dichterstreit in die Literaturgeschichte Westfalens einging.
(Durch mehrere Modernisierungen bietet die Stadthalle heute ca. 1500 Sitz- und bis zu 2500 Stehplätze für vielfältige Nutzungsmöglichkeiten.)
„Hunger nach geistigen Dingen“ nach 1945 in Schmallenberg
Die Stadt Schmallenberg hatte sich um die Ausrichtung des vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe organisierten Dichtertreffens beworben, weil sie mit der Stadthalle nun über eine geeignete Lokalität verfügte. Zusätzlich wird die rege Tätigkeit der „Kulturellen Vereinigung“ Schmallenberger Bürger von Bedeutung gewesen sein, die seit Herbst 1945 äußerst aktiv war und Konzerte, Theaterstücke und Lesungen organisierte und so den „Hunger nach geistigen Dingen“ nach dem Kriege, wie er in einer Ratssitzung von 1945 erwähnt wird, zu befriedigen suchte. Ab 1950 gehörten zum Vorstand der „Kulturellen Vereinigung“ Kaufmann Albert Falke als Vorsitzender und Amtsdirektor Siebenkötter als Schriftführer.
Die Stadt erhielt den Zuschlag für die Ausrichtung des Dichtertreffens und auf Einladung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe trafen sich vom 17. bis zum 20. April 1956 in der Schmallenberger Stadthalle Autoren, Literaturkritiker und Literaturwissenschaftler. Darunter befanden sich alle noch lebenden Preisträger des seit 1934 verliehenen Westfälischen Literaturpreises – also auch diejenigen, die vor 1945 durch das nationalsozialistische Regime ausgezeichnet worden waren.
Der Kreis wurde um einige junge Schriftsteller wie Ernst Meister, Friedrich Wilhelm Hymmen erweitert. Die teilnehmenden Autorinnen und Autoren waren Josefa Berens-Totenohl, Friedrich Wilhelm Hymmen, Jānis Jaunsudrabiņš, Maria Kahle, Heinrich Luhmann, Ernst Meister, Paul Schallück, Hans-Dieter Schwarze, Erwin Sylvanus, Hertha Trappe, Walter Vollmer, Werner Warsinsky und Josef Winckler. Als Leiter des Treffens fungierte Clemens Herbermann, Pressechef des LWL und Herausgeber des „Westfalenspiegels“. Als wichtige wissenschaftliche Instanz nahm der in Münster lehrende Germanist Professor Clemens Heselhaus teil.
Was ist das Westfälische in der Literatur?
Zum umstrittenen, leidenschaftlich diskutierten Thema wurde die Frage: „Was ist das Westfälische in der Literatur?“ Mit dieser Frage eng verbunden war die Problematisierung der Werke einiger sich eng an nationalsozialistisches Gedankengut anlehnenden und sich als dezidiert westfälisch verstehender älterer Schriftsteller und Literaturkritiker. Der Streit drehte sich darum, wie politisch Literatur ist, sein kann und sein muss, und war auch ein Generationenkonflikt, kam die Kritik doch vorwiegend aus den Reihen jüngerer Schriftsteller.
Eine der anwesenden, umstrittenen Autorinnen war Josefa Berens-Totenohl, eine in der Zeit des Nationalsozialismus sehr gefragte Schriftstellerin und Rednerin. Für ihr Buch „Der Femhof“ erhielt sie 1936 den Westfälischen Literaturpreis, den die Nazis als „kulturpolitisches Instrument“ an regimetreue Autoren vergaben. 1891 in Grevenstein bei Meschede als Tochter des Dorfschmiedes geboren, wuchs sie in sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Als gute Schülerin konnte sie eine Lehrerinnenausbildung machen, studierte danach Kunst in Düsseldorf. Sie reiste bis nach Afrika, kehrte aber 1925 ins Sauerland nach Totenohl bei Saalhausen zurück. Bereits 1931 trat sie der NSDAP bei. Ihr erster Roman Femhof erschien 1934. Er gehörte zu den meistverkauften Büchern im "Dritten Reich". Ähnlich erfolgreich war der Nachfolgeroman "Frau Magdalene".
Über ihre ideologische Weltansicht gibt die Inhaltsangabe der beiden Romane Aufschluss: Auf dem einsamen Wulfshof, dem „Femhof“ lebt der starke Wulfsbauer mit seiner stolzen Tochter Madlene. Der junge Bauer Ulrich wird hier Knecht, denn er musste seine Heimat verlassen, weil er einen Ritter, der seinen Besitz und seine Ehre verletzte, erschlug. Madlene und Ulrich scheinen aufgrund ihres „angeborenen Herrentums“ für einander bestimmt. Der Wulfsbauer aber duldet diese Verbindung nicht: Ulrich ist nur ein Knecht. Madlene flieht mit Ulrich, der Vater setzt beim Femegericht das Todesurteil durch, das er persönlich vollstreckt. Madlene gebiert Ulrichs Sohn, unter dem der Hof aufblüht. Im zweiten Band kämpft Madlene um Hof und Sohn; der alte Wulf wird vom Blitz erschlagen. Madlene wird durch ihre starke Haltung zum Vorbild und zur Ratgeberin der Frauen der Umgebung. Der tote Wulf wird zur Sagengestalt und tobt wie Wotan in Sturmnächten über die sauerländischen Berge. Die Personen der Romane stellen sich heroisch ihrem Schicksal und folgen ihrer Bestimmung bis zum Untergang. Obwohl die herrschende NS-Ideologie nicht explizit angesprochen wird, wird sie durch das Handeln der Personen nach den Prinzipien von „Blut“ und „Erbe/“Boden“ sehr deutlich.
Erfolgreiche „Blut- und Bodendichtung“
Verena Berens-Totenohl kann als „Blut- und Boden“-Dichterin bezeichnet werden, die die nationalsozialistische Rassenhygiene und Rassenanthropologie popularisierte. Ihre beiden Romane spielen im Westfalen des Mittelalters und sind durchtränkt von den Themen der NS-Bauerntums-Ideologie wie Blutsbande und Erbschuld, Natur und Schicksal, Rasse und Volk. Menschen handeln in ihren Büchern nicht individuell und verantwortlich, sondern als Vertreter eines Standes, einer Rasse, als Opfer seiner Leidenschaften oder als Instrument des Schicksals. Mit ihren literarischen Bildern griff sie hemmungslos auf antisemitische und antiziganistische Klischees zurück.
Für die Nationalsozialisten allerdings verkörperte sie mit ihren Romanen, so hieß es 1934 in der Begründung zur Preisverleihung, „das junge gesunde Volkstum" und die nationalistische Gesinnung. Die Verleihung des Preises machte die Sauerländer Autorin bekannt; sie hielt in der Folge zahlreiche Lesungen und Vorträge im ganzen Deutschen Reich. Sie warb für eine „deutsche Kunst", wetterte gegen „Bolschewismus" und hetzte mit üblen antisemitischen Sprüchen ihr Publikum auf. Ihr Vortrag „Die Frau als Schöpferin und Erhalterin des Volkstums" aus dem Jahr 1938 zählte zur Pflichtlektüre in der NS-Frauenschaft. Die Einnahmen aus den Büchern sprudelten reichlich. Die Dichterin finanzierte damit ihren eigenen „Femhof" in Gleierbrück (zwischen Lennestadt und Saalhausen). Nach 1945 war ihre Karriere beendet. Die „BluBo“(Blut und Boden)-Schriftstellerin musste sich dem Entnazifizierungsverfahren stellen, wurde aber lediglich als "Mitläuferin" eingestuft.
Mit der heutigen zeitlichen Distanz kann eine Wertung der Qualität und Aussagen der Romane Berens-Totenohl mit einer gewissen Leichtigkeit erfolgen. Schwerer taten sich die Teilnehmer des Dichtertreffens 1956. Professor Heselhaus bezog schon damals klar Stellung und bezeichnete die Fragestellung: „Was ist das eigentlich Westfälische in der Literatur?“ als unsinnig. Das „Westfälische“ sei kein Wert an sich, sondern müsse sich durch literarische Qualität beweisen. Weder bei Grabbe, Freiligrath, Wilhelm Weber oder der Droste sei etwas spezifisch Westfälisches auszumachen. Das „Westfälische“ stehe für falsches Pathos, für den Geist von Blut und Boden. Gleichzeitig war es aber damals eine Tatsache, dass Heimatdichtung beim Publikum, das darin wenig politische Aussagen erkennen konnte und wollte, gut ankam. Josefa Berens-Totenohl, wie auch andere NS-belastetete Dichter, sowie einflussreiche Literaturkritiker wie Josef Bergenthal, ein ehemals hoher nationalsozialistischer Literaturfunktionär, weiterhin gelesen wurden, tätig waren und Anerkennung erfuhren.
Auch Heimatdichtung muss literarischen Ansprüchen genügen
Der Streit drehte sich somit im Kern um die literarische Qualität von „Heimatdichtung“, welche in der NS-Zeit unter Vernachlässigung literarischer Qualität und der Beförderung zahlloser, die primitivsten Vorurteile fördernder Klischees und Stereotypen eine große Aufwertung erfahren hatten. Er stieß auf großes Interesse: Die wichtigsten regionalen Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen waren am Treffen vertreten, auch die Schmallenberger waren sehr interessiert: Eine Autorenlesung in der Schmallenberger Stadthalle hatte mehr als 1.000 Besucher. Das Ergebnis des Konflikts war mittelfristig eine Umorientierung in der westfälischen Literatur. Der Westfälische Heimatbund zog sich aus der Literaturförderung zurück. Auch „Heimatdichtung“ hatte sich fortan unumschränkt den ästhetischen und künstlerischen Anforderungen guter Literaturproduktion zu stellen. Noch nicht lange her ist die Umbenennung von Straßennamen im benachbarten Lennestadt, wo Josefa Berens-Totenohl gewohnt hatte: Der Rat der Stadt beschloss am 26. 2. 2014, die drei Straßenbezeichnungen, die in Gleierbrück an Josefa-Berens-Totenohl und deren Werke erinnern (Josefa-Berens-Straße, Femhofstraße, und Frau-Magdlene-Straße) umzubenennen.
Schmallenberg blieb literarisch am Ball: 1993 wurde hier die Gesellschaft zur Förderung der Literatur im Sauerland in Schmallenberg, die Christine-Koch-Gesellschaft, gegründet, die sich mit der Literatur von Aufklärung, Klassik und Vormärz sowie regionaler Literatur und Mundart beschäftigt und ein Literaturarchiv unterhält. Autoren wie Friedrich Albert Groeteken, Christine Koch, Hanna Rademacher, Michael Soeder und Paul Tigges lebten in Schmallenberg; Heute sind hier noch ansässig die Autoren Herbert Somplatzki und Kurt Wasserfall.
Die 1954 erbaute Stadthalle, rechts im Bild.
Stadthalle, Ansicht von Westen, 1960er Jahre.
Kirchliche Feier in der Stadthalle.
Straße zur Stadthalle, um 1948.
Zweites Westfälisches Dichtertreffen 1956 in Schmallenberg: v. li. Paul Schallück, Hertha Trappe, Hans Dieter Schwarze, Clemens Herbermann, Friedrich Wilhelm Hymmen, Josefa Berens-Totenohl, Amtsdirektor Potthof (Fredeburg), Werner Warsinsky.
Zweites Gruppenbild des Dichtertreffens in Schmallenberg 1956.
Josefa Berens-Totenohl mit Bernd Donnepp in Marl.
Aufruf im Westfalenspiegel zur eigenen Meinungsbildung.