Die Weltenwanderin
Mit Elisabeth Grube zu zeitlosen Momenten an Sauerland-Seelenorten
Ein Herbstmorgen. Unter der Brücke fließt leise die Salwey hindurch. Sonnenstrahlen fallen auf das Wasser. Dessen Oberfläche spiegelt das Licht und wirft es als goldgelbe Wellen auf die Brückenwand. Sie scheint wie bewegt. Ein zeitloser Moment. Diesen hat Elisabeth Grube vor kurzem am Vorplatz des DampfLandLeute-Museums in Eslohe erlebt. Der Platz ist irgendwie besonders. Auch für die evangelische Pfarrerin im Ruhestand. „Ich war für einen Augenblick ganz aus dem Alltag rausgenommen. In einer Art Zwischenraum, in dem nichts ist, außer das Jetzt. Wie beim Ein- und Ausatmen. Wer da genau hin spürt, bemerkt die kleinen Pausen zwischen beidem.“
„Viele Menschen suchen sich Naturorte aus, um innezuhalten. Dort kommen wir leichter wieder in Verbindung zu uns selbst."
Im Porträt
Elisabeth Grube
Elisabeth Grube war u.a. evangelische Pfarrerin der Kirchengemeinde Gleidorf und Krankenhaus- Seelsorgerin. Seit einigen Jahren wirkt sie im Projekt „Wege zum Leben“ mit, ein Netzwerk mit Akteuren aus Tourismus, Kirchen, Heimat- und Kulturarbeit. Neben der Veranstaltung Spiritueller Sommer ist aus der Zusammenarbeit auch die Idee der Sauerland-Seelenorte entstanden, die spirituelle und kraftvolle Orte in der Region für Gäste und Einheimische erlebbar macht.
Ein Ausflug zu den Sauerland-Seelenorten
Dieser Platz ist einer von 43 Sauerland-Seelenorten. Fast alle sind in der Natur: auf Bergen, in Wäldern, auf freien Feldern, bei Felsgrotten und an Wasserplätzen. Es sind Orte, die für Einheimische besonders sind, an denen sie emotional berührt sind - aus welchen Gründen auch immer. Sie zeigen die ureigene Seele des Sauerlands. Plätze, an denen die Menschen sich zurückziehen und innehalten können. An denen sie aber auch inspiriert werden und neue Perspektiven für ihr Leben bekommen. Eines verbindet die Orte miteinander: lebendige Stille. Elisabeth Grube hat bei der Auswahl der Orte im Netzwerk-Projekt „Wege zum Leben” mitgewirkt. Interessant fand sie den Vorschlag des bekannten Sauerländer Künstlers Thomas Jessen, den Museumsvorplatz in Eslohe ganz in der Nähe ihres Wohnortes als Sauerland-Seelenort aufzunehmen. Auf den ersten Blick scheint dieser nicht so wirklich in das Konzept zu passen. Hier haben Menschen hart an großen Dampfmaschinen gearbeitet. Man mag sich vorstellen, wie laut, schmutzig und ungemütlich es einst in der Kettenfabrik und ringsherum zugegangen ist. Der Mann dahinter war Eberhard Koenig. Er soll ein Unternehmer voller Widersprüche gewesen sein. Die Architektur des Fabrikgeländes spiegelt das wider. Hier ist keine klare Linie erkennbar, ein wildes Sammelsurium an Stilen. Und das soll ein spiritueller Ort sein? „Ja”, meint Elisabeth Grube. „Viele Menschen suchen sich Naturorte aus, um innezuhalten. Dort kommen wir leichter wieder in Verbindung zu uns selbst. Ein Industrieort wie dieser zeigt uns aber, wie wir auch unter widrigen Umständen in die Stille finden und spüren können, wer wir sind. Übertragen bedeutet das: Spiritualität kann sich mitten im hektischen Arbeitsalltag ereignen, wenn wir uns dafür einen Moment Zeit nehmen und gegenwärtig bleiben.”
Elisabeth Grube findet sich darin selbst wieder. Sie ist schon viel umgezogen im Leben, zuletzt 2010, als sie ins Schmallenberger Sauerland kam. So ist das Thema Zugehörigkeit ein ständiger Begleiter auf ihrem Weg. Sie hat gelernt, zwischen den Welten zu wandern und immer wieder ein Fenster für eine neue Erfahrung aufzumachen, z.B. wie es ist, auf dem Hofanwesen ihres Mannes in Heiminghausen ein Zuhause zu finden. Dort steht eine katholisch geweihte Kapelle, die der Heiligen Lucia, der Leuchtenden, gewidmet ist. Erst einmal ein Gegenpol zu ihrem evangelischen Glauben, der die Verehrung von Heiligen nicht kennt. Doch Lucia, die sich über die Widerstände in der Gesellschaft hinweg setzte, wurde für Elisabeth Grube zu einer Inspirationsquelle und der Platz damit zu einem persönlichen Seelenort. „Sie hatte den Mut ihren ureigenen Weg zu gehen. Ihre Geschichte bestärkt mich darin, es ihr gleich zu tun.” In Lucias Weg stecken für Elisabeth Grube auch viele Impulse, wie Menschen in die Erfahrung eines Seelenortes eintauchen können: Was hält mich? Was ist wirklich wesentlich für mich? Wo kann ich meine Verbindung zum großen Ganzen spüren - ganz unabhängig von den Vorstellungen anderer? Für sie ist ein Seelenort ein Platz, der einem Geborgenheit auch im Ungeborgenen schenken kann. Jeder kennt wahrscheinlich so einen Ort. „Vielleicht aber nähert man sich den Sauerland Seelenorten mit einer gewissen Gespanntheit, weil er für andere bedeutsam ist. So fällt es leichter, sich für eine spirituelle Erfahrung zu öffnen, die kann für jeden anders aussehen kann.” Ihr ist bewusst, dass es meist auch etwas Übung braucht, um sich auf die Stille einzulassen und überlegt, ob sie bald Menschen an einigen Sauerland- Seelenorten dazu anleitet. „Es hilft, sich auf die Sinneseindrücke ringsherum zu konzentrieren. Also: Was höre ich jetzt gerade? Was sehe ich? Wie fühlt es sich an, an diesem Platz zu sitzen? Über die körperliche Wahrnehmung ist es leichter, bewusst innezuhalten.” Weitere Anregungen gibt es in der Broschüre „Sauerland- Seelenorte”, zu beziehen über www.schmallenberger-sauerland.de
Sauerland Seelenorte
Lebendige Stille
Sauerland·Seelenorte – das sind Felsen und Steinbrüche, Kirchen und Bergkuppen, mächtige Bäume und unterirdische Grotten, Seen und Täler. 43 Orte, über die Sauerland-Wanderdörfer verteilt, wurden ausgewählt, weil sie besonders beeindruckend sind und für die Menschen in ihrer Umgebung eine besondere Bedeutung besitzen. Nicht nur heute, sondern auch schon zu früheren Zeiten. Sie berühren die Menschen emotional, geistig und spirituell. Sie rufen starke Resonanzen hervor. Es sind Orte, zu denen die Menschen wandern und wo sie abschalten können. Zu sich kommen. Die Ruhe genießen. Inspiriert werden. Neue Einsichten gewinnen. Auch wenn jeder Seelenort seine eigene Geschichte erzählt, gibt es eine Qualität,die alle verbindet: Lebendige Stille.